Sie schieben also gerne Dinge auf?! Warum würden Sie sonst diesen Blog lesen? Ich verstehe Sie. Wirklich. Unsere Welt fordert viel von uns und die Arbeit einfach zur Seite legen, um ein wenig abzuschalten, hat noch niemandem geschadet.

Wie bitte?! Sie können gar nicht abschalten?! Sie fühlen sich schuldig, weil Aufgaben unerledigt bleiben?! Versuchen Sie es härter. Wie wäre es mit einem Neuanstrich der Wohnung? Das tut eine Kollegin, wenn Sie eigentlich eine Studienarbeit schreiben soll. Gleich zwei Mal! Das geht Ihnen zu weit?! Ah, ich verstehe; Sie sitzen gerade im Büro. Wie wäre es, die Büromöbel ein wenig zu schieben, um eine gesündere Arbeitsatmosphäre zu erzeugen? Dürfen Sie nicht?! Aber Ihren Schreibtisch aufräumen, das geht bestimmt? Na sehen Sie.

Es gibt immer Wege, die Arbeit unerledigt zu lassen, um sich den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu widmen: spülen, posten, Serien schauen, putzen, telefonieren, Kaffee trinken… Ach, eigentlich ist alles wichtiger als das, was gerade ansteht. Und mal ganz unter uns, Sie leisten bestimmt mehr, wenn Sie unter Druck arbeiten, oder?! Ein Grund mehr, den Bericht erst morgen zu schreiben.

Sie stimmen mir zu? Dann verdienen sie ein Zertifikat in Prokrastination. Nein, das hat nichts mit Kastration zu tun. Prokrastination ist die Kunst, Wichtiges auf morgen - oder besser gleich auf nächsten Monat - zu verschieben, um sich dem Unwichtigen schon heute widmen zu können. Man spricht auch von Aufschieberitis. Gut, ich gebe zu, von Kunst kann kaum die Rede sein. Eine Plage trifft es schon eher.

Doch Spaß bei Seite, denn eigentlich kann man darüber nicht lachen. Das Phänomen wuchert und fast jeder kennt es. Diejenigen, die es zur Spitze treiben, beschneiden sich in ihrer Lebensqualität. Aufgeschoben ist nämlich nicht aufgehoben und jeder Coach predigt die gleiche Erfolgsformel: Was du sofort erledigen kannst, erledige auch sofort. Leichter gesagt als getan. "Wenn ich das könnte, dann würde ich ja nicht aufschieben", sagen Sie?! Und Recht haben Sie, denn diese Schwäche kann sehr hartnäckig sein.

Wo kommt Prokrastination her?

So sehr Wissenschaftler die Evolution preisen, finden wir doch immer wieder Fehler im System. Welchen Nutzen erfüllt bitte schön Prokrastination in diesem System?! Das kann nur ein Fehler sein. Ein Fehler freilich, der die Menschen schon lange plagt. Piers Steel, ein Experte auf diesem Gebiet, nimmt an, dass es vor etwa 10000 Jahren begann und zwar mit der Einführung der Landwirtschaft. Heute etwas pflanzen, um es in Monaten zu ernten, war die erste Deadline und mit dieser Deadline erblickte die Prokrastination das Licht der Welt. Aufschieben kann man nämlich nur Aufgaben, die irgendwann erledigt sein müssen. Wo keine Deadline, da kein Aufschieben. Und die schlimmste Deadline?! "Geben Sie die Arbeit ab, wann Sie wollen!", sagte mein Philosophieprofessor. Ergebnis: Er musste nie eine Arbeit korrigieren.

Die Jäger und Sammler jedenfalls kannten keinen Aufschub. Wenn Sie Hunger hatten, zogen Sie los und suchten sich eine Mahlzeit. Hunger zwingt zum Handeln!

Doch sobald die Menschen ansässig wurden, begann das Aufschieben. Und über die Jahrtausende nahm es zu. Heute hat selbst die Wissenschaft das Phänomen für sich entdeckt und Psychologen können ein Lied über die schmerzhaften Folgen dieser Schwäche singen. Besonders betroffen sind Studenten und Texter. Und der beste Ort um Dinge aufzuschieben? Das Büro. Hauptwerkzeug der Aufschieber: der Computer, das Smartphone, der Fernseher und der Putzeimer.

Wo wir schon beim Aufschieben sind; Wie wäre es mit einer Folge Stromberg?! Erinnern Sie sich an die Lieblingsaussage des Tyrannen, wenn er mit einer Deadline konfrontiert wurde?!

"Eh, Ja, das läuft."

Natürlich lief gar nichts. Die Serie gibt überhaupt einen wunderbaren Einblick in Prokrastination. Freilich lachen wir im richtigen Leben kaum darüber.

Was ist Prokrastination?

Doch warum schieben wir Dinge auf, obwohl wir uns damit weder wohl fühlen, noch die Aufgabe dadurch verschwindet?! Irgendwann muss sie trotzdem erledigt werden.

Beginnen wir mal mit den Irrtümern über diese Schwäche. Manch Einer glaubt, er schiebt auf, weil er faul ist. Doch mit Faulheit hat das wenig zu tun. Haben Sie mal einen Studenten putzen gesehen, während er eigentlich eine Arbeit schreiben sollte? Faul?! Nein! Arbeitsmaschine trifft es eher.

Ein Anderer wird behaupten, es liege an seinem Perfektionismus. Wohl kaum. Wahre Perfektionisten schieben nichts auf. Sie beginnen eher gestern als morgen.

Wie steht es mit denen, die meinen, nur unter Druck besonders gute Arbeit leisten zu können?! Wirklich?! Sie glauben, dass Ihr Text besser wird, wenn sie vier Stunden statt sieben Tage dafür haben?! Sehr fragwürdig.

Das sind einige Irrtümer über Prokrastination, die von den Wissenschaftlern Piers Steel und Neil Fiore aufgedeckt wurden. Wo liegt also der Hund begraben? Beginnen wir mit einem Wechsel der Perspektive. Neil Fiore behauptet in seinem Buch “The Now Habbit", dass Prokrastination nicht das Problem sondern die Lösung eines Problems ist. Klingt nicht ganz so destruktiv, wie die Behauptung einfach nur faul zu sein, oder?! Und welches Problem versucht ein Aufschieber zu lösen?

Das beantwortet uns Piers Steel in seinem Buch "Der Zauderberg. Warum wir immer alles auf morgen verschieben und wie wir damit aufhören". Wer aufschiebt, versucht in der Regel eins dieser Probleme zu lösen:

1. Er schiebt auf, weil er bei einer Aufgabe keinen Erfolg (mehr) erwartet.

2. Er schiebt auf, weil die Aufgabe keine Freude bereitet und für ihn wertlos ist.

3. Er schiebt auf, weil die Belohnung einer erledigten Aufgabe in der Zukunft liegt, während die Befriedigung durch Aufschieben sofort verfügbar ist.

Wozu beginnen, wenn es zu nichts führt?!

Ich habe vor Jahren als Headhunter gearbeitet. Meine Aufgabe bestand darin, in Firmen nach dem richtigen Personal suchen, um dieses Personal dann abzuwerben. Natürlich gibt kein Unternehmen freiwillig Auskunft über das eigene Personal. Um an die Infos zu kommen, muss man sich etwas einfallen lassen. Sie können nicht einfach anrufen und sagen:

"Guten Tag. Ich bin ein Headhunter, der für ein Konkurrenzunternehmen nach einem Produktmanager sucht, der mindestens 10 Jahre Erfahrung mitbringt. Wen kann ich in Ihrer Firma abwerben?" 

Tü tü tü

"Hallo?! Hallo?!" 

In der Regel müssen Sie ein wenig schummeln. Anfangs gelang es mir recht gut, aber mit jedem missglückten Anruf wuchs meine Neigung den nächsten Anruf aufzuschieben. Irgendwann wollte ich den Hörer gar nicht mehr abheben, weil ich keine Lust hatte, wieder abgewimmelt zu werden. Und plötzlich erschien mir Aufschieben als eine gute Lösung. Menschen, die Akquise betreiben, kennen dieses Problem sehr gut. Unter hundert Kunden beißt vielleicht Einer an. Sie müssen schon ein dickes Fell mitbringen, um die 99 Absagen wegzustecken. Ich ziehe meinen Hut vor solchen Talenten.

Wenn sich Misserfolge aneinanderreihen, entstehen Blockaden, die sich verfestigen und schließlich chronisch werden können. Und schon kommt die Stimme: "Wozu überhaupt anfangen?! Bringt doch eh nichts." Fragen Sie mal Arbeitslose, wie es sich anfühlt, eine neue Bewerbung zu schreiben, wenn zuvor 150 Absagen ins Haus flatterten?! Könnten Sie nach so vielen Absagen noch eine überzeugende Bewerbung schreiben?!

Und dann gibt es auch Menschen, die von Natur aus ein geringes Selbstwertgefühl mitbringen. Sie denken nicht besonders gut von sich. Diese Unglücklichen beginnen im schlimmsten Fall gar nicht erst Aufgaben, die sie dann aufschieben könnten. Die Angst zu scheitern, beherrscht das Leben dieser Menschen.

Sollten Sie diese Probleme kennen, dann verstehen Sie, warum Aufschieben eine Lösung sein kann. Sie vermeiden einfach nur Schmerzen. Solange man keine Formel findet, die zu mehr Erfolg führt, schiebt man eben weiter auf. Sehr menschlich, oder?!

Die Formel lautet hier: Je weniger Erfolg eine Aufgabe verspricht, desto reizvoller wird Prokrastination.

Unangenehme Aufgaben erledigen sich von selbst

Was tut Stromberg, wenn sein Vorgesetzter mit einer Aufgabe kommt, die ihm missfällt?! Genau. Er verschiebt sie auf morgen. Und wenn es kein Morgen mehr gibt?! Dann verdonnert er einen seiner Mitarbeiter, die Sache schleunigst zu erledigen. Die meisten Menschen sind nicht so glücklich. Sie müssen diese unangenehmen Aufgaben dann doch selbst bewältigen. Aber es ist völlig verständlich, dass wir etwas aufschieben, was keine Freude bereitet, oder?!

Ich wundere mich manchmal, warum der Burnout in unserer Gesellschaft zunimmt. Könnte es sein, dass wir heute mehr mit unangenehmen Aufgaben konfrontiert sind?! Solche Arbeiten rauben einem die Kräfte, insbesondere wenn sie aufgeschoben werden. Kurz vor der Deadline kniet man sich dann rein und erschöpft sich komplett. Wer ständig so agiert, braucht gute Nerven, um nicht durchzudrehen.

Hier lautet die Formel: Je unangenehmer die Aufgabe, desto reizvoller ein Aufschub.

Ich habe noch so viel Zeit

Haben Sie schon mal etwas aufgeschoben, weil Sie genügend Zeit hatten, es zu erledigen?! Wenn Sie studieren, dann wette ich, dass Sie das ständig tun. Die Deadlines für die Abgabe von Arbeiten sind ab der ersten Sitzung bekannt. Und wann beginnen fast alle, etwas zu schreiben?! In der Nacht vor der Abgabe. Manche zunächst eine Mail an den Prof mit der Bitte um Verlängerung. Vier Monate waren einfach nicht genug.

Manchmal scheint die Deadline und damit auch ein Feedback zu Ihrer Arbeit so weit weg, dass es einfach keinen Sinn macht, sofort zu beginnen. Schauen wir uns nochmal die Studenten an. Das Semester beginnt. Es dauert gewöhnlich vier Monate, bis die Studenten eine Arbeit abgeben müssen. Und dann wartet man wieder. Minimum einen Monat, meistens sogar noch länger. Irgendwann kommt dann ein Feedback zu dieser Arbeit. Deadlines helfen, um eine Arbeit zu beginnen, aber wenn diese Deadlines weit in der Zukunft liegen, dann sind sie abstrakt. Die Vorteile eines Aufschubs hingegen sind sehr konkret. Das ist auch der Grund, warum jede substanzielle Veränderung so schwer zu stemmen ist. Sie liegt nämlich abstrakt in der Zukunft. Abstrakte Aufgaben sind nicht gerade motivierend. Wenn Sie ein Mensch sind, der eher konkret denkt, dann neigen Sie zum Aufschieben, wenn die Deadline weit weg liegt.

Sie wissen nicht, ob sie zu dieser Kategorie gehören?! Testen Sie es. Sie erhalten 1000 € von mir und zwei Aufgaben. Die erste Aufgabe: Planen Sie einen Einkaufstrip, der in 12 Monaten stattfinden wird! Was werden Sie in 12 Monaten mit den 1000 € anstellen? Die zweite Aufgabe: Sie ziehen heute mit 1000 € los. Was landet im Einkaufskorb?

Welche Aufgabe war für Sie bildlicher?

Und die Formel sagt: Je länger es dauert, bis Ergebnisse sichtbar sind, desto reizvoller der Aufschub.

Die Prokrastinationsformel

Das sind also die drei Probleme, die ein Aufschieber lösen möchte: Erwartung, Wert und Zeit. Er erwarten nicht viel von der Arbeit, sie bereitet ihm keine Freude und irgendwie muss er die Zeit überbrücken, bis ein Feedback kommt. Mit dieser Formel können Sie nun berechnen, wie wahrscheinlich ein Aufschub bei der nächsten Aufgabe sein wird.

Nehmen Sie die Erwartung (E), multiplizieren diese mit dem Wert (W) der Aufgabe und dividieren alles durch die Zeit (Z), die Ihnen bleibt.

E x W / Z = Aufschub

Schön, oder?! Die Formel kommt von Piers Steel. Ich finde sie sehr hilfreich. Doch eine Funktion fehlt noch in dieser Formel. Probleme hat man in der Regel, was nicht bedeutet, dass man selbst ein Problem ist. Jeder Mensch wird manchmal mit Aufgaben konfrontiert, die wenig erfolgsversprechend sind. Genauso kennt jeder Mensch Aufgaben, die furchtbar unangenehm sind. Und die Deadline wird Ihnen sowieso von Aussen gesetzt. Doch es gibt eine Charaktereigenschaft, die Aufschieber kennzeichnet und alles besonders schwierig macht: Impulsivität!

Wir sind nun beim Kern des Problems angekommen. Impulsive Menschen leben im Heute und wollen alles sofort haben. Kennen Sie die Studie, wo Kindern ein Stück Schokolade vorgesetzt wurde mit der Anweisung: "Wenn du diese Schokolade nicht isst, bis ich zurück komme, dann erhältst du die doppelte Portion." Dann kennen Sie wahrscheinlich auch das Ergebnis. Manche Kinder konnten die Finger einfach nicht von der Schokolade lassen. Und das sind dann die Erwachsenen, die zum Aufschieben neigen. Wer kurzfristige Befriedigung vorzieht, der erlebt Deadlines, die in der Zukunft liegen als unangenehm und widmet sich eher Dingen, die schon heute befriedigen. Zu welcher Kindergruppe gehören Sie eigentlich? Würden Sie warten, um die doppelte Portion zu erhalten? Wie bitte?! Sie können mit vollem Mund nicht sprechen?! Verstehe. Die Frage hat sich sowieso erübrigt.

Impulsivität kennt unterschiedliche Grade und die extremsten Beispiele findet man in Süchtigen. Süchtige Menschen setzten alles aufs Spiel, weil sie nicht Warten können. Die Befriedigung muss sofort kommen, koste es, was es wolle. Alles was im Morgen liegt, existiert praktisch nicht. Die meisten Menschen sind nicht ganz so impulsiv, aber Aufschieber kennen das Problem. Und es wird noch schlimmer. Impulsivität ist nicht etwas, das man hat, sondern etwas, das man ist. Wahrscheinlich leiden die meisten Aufschieber deshalb so sehr unter Ihrer Schwäche. Man kann seinen Charakter nämlich nicht einfach ablegen.

Und hier die letzte Formel: Je mehr sie auf kurzfristige Befriedigung aus sind, desto intensiver Ihre Prokrastination.

Erweitern wir nun unsere mathematische Formel um den Faktor Impulsivität (I).

E x W / I x Z = Aufschub

Ihr Chef kommt ins Büro und bittet Sie einen Bericht zu schreiben. Bisher wurde dieser Bericht von Ihrer Kollegin verfasst. Aber sie hat versagt und fiel bei Ihrem Chef in Ungnade. Nun möchte Ihr Chef sehen, was Sie drauf haben. Sie haben weder Erfahrung mit dieser Art von Arbeit, noch bereitet es Ihnen Freude zu schreiben. Sie haben zwei Monate Zeit. Was tun Sie? Sie rechnen erst einmal. Nehmen Sie die Formel. Wie bitte?! Die Rechnung ergab, dass ein Aufschub zwingend erforderlich ist?! Sie fragen mich, was Sie nun tun sollen?! Kündigen Sie! So ersparen Sie sich wenigstens die Blöße, den Chef enttäuscht zu haben.

Und die Lösung?!

Hier haben wir also die Formel. Vielleicht verstehen Sie nun, warum Aufschieben so hartnäckig sein kann. Wahrscheinlich haben Sie bereits einiges probiert, um die Lage zu verbessern und trotzdem schieben Sie weiter auf. Keine Sorge. Es gibt Abhilfe. Es ist möglich, endlich Dinge sofort zu erledigen. Auch dann, wenn Sie besonders impulsiv sind.

Wie die Lösung aussieht, wollen Sie wissen?! Die verschieben wir auf morgen!