Das Jahr 2000 leitete eine neue Dekade der internationalen Entwicklungspolitik ein. Auf dem UN Milleniums Treffen in September 2000 verabschiedeten 189 Staaten die Milleniums Erklärung. Hauptanliegen dieser Erklärung waren Frieden, Sicherheit und Entwicklung. Im darauf folgenden Jahr legte die UN einen Plan vor, der diese Erklärung konkretisieren sollte. In diesem Plan wurden die acht Millenium Development Goals (MDGs) vorgestellt.

Sie können als ein Kompass betrachtet werden, welcher die Richtung der Entwicklungspolitik leiten soll, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Doch hauptsächlich handelt es sich um „country goals“, der Einsicht folgend, dass Armut nur auf nationaler Ebene bekämpft werden kann. Nur Goal 8 befasst sich mit der internationalen Ebene. Der Schwerpunkt der MDGs liegt klar auf Entwicklung. Frieden und Sicherheit spielen nur noch in sofern eine Rolle, als dass sie nicht verwirklicht werden können, wenn nicht zuerst ein menschenwürdiges Leben ermöglich wird.

Die Ziele selbst sind weder neu noch sonderlich originell. Sowohl der Inhalt als auch die Einfachheit der Formulierung sind in veränderter Form schon mal da gewesen. Neu ist hingegen, dass die Weltgemeinschaft der Armutsbekämpfung eine vorrangige Priorität eingeräumt hat und sich – zumindest auf dem Papier – verpflichtet hat ihren Beitrag zu leisten. Dies kam besonders der diskreditierten Entwicklungspolitik zugute. Freilich wird gerade diese, neben den Menschen in den Entwicklungsländern, zu den Verlierern gehören, sollten die Goals verfehlt werden. 

Und der neueste Millenium Development Report von 2007 verheißt nichts Gutes. Wenn nicht signifikante Anstrengungen unternommen werden, wird es kaum möglich sein die Ziele rechtzeitig zu verwirklichen. Besonders langsam geht es in Schwarzafrika voran. In Asien sieht es etwas besser aus. Doch muss in diesem Zusammenhang beachtet werden, dass 1990 als das Stichjahr betrachtet wird, an welchem der Fortschritt gemessen werden soll. Dank Chinas Wirtschaftswachstum in den 1990ern hat Ostasien das Ziel zur Halbierung der Armut bereits 1999 erreicht, also bevor die Milleniums Erklärung überhaupt verabschiedet wurde.

Die Gründe für das langsame Vorankommen sind vielfältig. Obwohl die Länder Afrikas sehr unterschiedlich sind, kann am Beispiel Kenias gezeigt werden, mit welchen Schwierigkeiten beinahe alle zu kämpfen haben. 

Kenia wird derzeit von blutigen Auseinandersetzungen überschattet, bei denen schätzungsweise in den letzten 2 Wochen 500 - 600 Menschen starben. Die Krise begann mit der Einsetzung Kibakis als neuen Präsidenten. Sein Herausforderer Odinga akzeptiert den Ausgang der Wahlen nicht und wirft dem Präsidenten Wahlfälschung vor. Bisher konnte nicht geklärt werden, ob und in welchem Maße die Ergebnisse verfälscht wurden, doch die Unregelmäßigkeiten sind nicht von der Hand zu weisen. 

Es ist noch nicht absehbar, wie diese Krise enden wird. Doch die Einsetzung eines neuen Kabinetts durch Kibaki, ohne auch nur einen Vertreter aus Odingas Lager darin aufzunehmen, verspricht nichts Gutes. Und schon wird in den Medien debattiert, wie man im Westen nur übersehen konnte, in welchen Schwierigkeiten sich das Land befindet. Dabei hat Kenia in den letzten Jahren einiges unternommen um den Lebensstandard der Menschen zu verbessern.

Der neueste Human Development Index gibt Kenia Platz 148 (HDI 0.521) von 177. Demnach gehört es zu den Ländern mittleren Entwicklungsstands und nimmt in dieser großen Gruppe von 85 Staaten den Platz 78 ein. Es ist also ein klassisches Entwicklungsland. Auch wenn es schwer ist in diesem Kontext von Fortschritt zu sprechen, sollte in Rechnung gestellt werden, dass es sich im Vergleich zum Vorjahr um 4 Plätze verbessert hat und die kenianische Wirtschaft noch vor einigen Jahren in einer langjährigen Rezession steckte. Bevor die Verbesserungen am Beispiel der MDGs näher erläutert werden bedarf es einiger grundlegender Informationen. 

Grundlegende Informationen über Kenia

Die Bevölkerungszahl beträgt derzeit ca. 36 Millionen Menschen mit einer hohen Wachstumsrate von 2,7 %. Das Land erlangte 1963 seine Unabhängigkeit von Großbritannien. Von einer sich langsam entwickelnden Demokratie – Freedom House bezeichnet es als partly free – kann jedoch erst seit 1992 gesprochen werden, als die damalige Regierung die erste Mehrparteienwahl erlaubte. Der erste Regierungswechsel vollzog sich trotzdem erst im Jahre 2002 als die National Rainbow Coalition (NARC) die Kenyan African National Union (KANU), welche faktisch von der Unabhängigkeit 1963 bis 2002 regierte, ablöste und Mwai Kibaki neuer Präsident wurde. 

Seit dieser Abwahl verbesserte sich die Lage der Menschen in einigen Bereichen, was nicht zuletzt Kibakis Reformansätzen zu verdanken ist. Das Wirtschaftswachstum beträgt derzeit 6,1 %. Zwischen 1997 und 2002 wuchs die Wirtschaft im Durchschnitt um 1,5 %, also geringer als die Bevölkerung. Die Arbeitslosigkeit beläuft sich trotzdem auf ca. 40 % und die Inflationsrate liegt bei 14 %. Das Land ist zu 75 % von Landwirtschaft abhängig. 

Allein an diesen Zahlen ist schon ersichtlich mit welchen Schwierigkeiten das Land zu kämpfen hat. Hinzu kommt das Dauerproblem Korruption. Obwohl Kibaki mit unter angetreten ist um diese zu beseitigen, wurde das Land von Transparency International in den letzten zwei Jahresberichten jeweils runter gestuft (Platz 150 von 179). Hauptursache war ein in 2006 veröffentlichter Bericht, demzufolge die Korruption seit 2003 um 20 % gestiegen ist. Als Kibaki seinen Antikorruptionsminister, der den Bericht veröffentlichte, entließ, offenbarte er nicht gerade Bereitschaft das Problem anzugehen. 

Dabei ist die Sache komplexer, denn es wird angenommen, dass die Korruption entlang ethnischen Gruppierungen verläuft. Im Land finden sich ca. 40 unterschiedliche Ethnien. Kibaki gehört der größten Ethnie an, der Kikuyu (ca. 22 % der Bevölkerung). Gerade diese Bevölkerungsgruppe profitierte am meisten vom Wirtschaftsaufschwung. Sein Herausforderer Odinga gehört der Luo an, der drittgrößten Ethnie (ca. 13 %). Die Luos sind in den Medien besonders dadurch bekannt geworden, dass sie in den Elendsvierteln von Nairobi leben. Sie gehören mit zur der ärmsten Schicht. 

Wie tief die Konflikte zwischen den Gruppen sind, ist nicht ganz bekannt. Bis jetzt lebten sie friedlich miteinander und es besteht durchaus eine Chance, dass dies auch so bleiben wird. Das Problem scheint eher ein politisches und wirtschaftliches zu sein. Die Fortschritte kommen bis jetzt nur einer bestimmten Gruppe zugute und dies schürt Unmut- ein Problem auf welches auch der neueste MDG Report verweist. Die Verbesserungen sind in der Regel sehr ungleich verteilt. 

Doch schauen wir uns Fortschritte und Problembereiche anhand der MDGs an. Kenia veröffentlichte bisher zwei MDG Progress Reports, das letzte im Jahr 2005. Es liest sich ähnlich wie der globale Report. Es gibt kaum Fortschritte und die gemachten sind zu marginal um die Ziele bis 2015 zu erreichen. 

MDG Goal 1: Halbierung der Armut

Goal 1 sieht die Halbierung der Armut bis 2015 vor. Als arm gilt, wer von weniger als 1 $ pro Tag leben muss. Es wird geschätzt, dass im Jahre 1992 44,7 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebte, im Jahr 1997 52 % und 2002 56 %. Sollte der Trend anhalten, wird angenommen, dass im Jahr 2015 65,9 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben wird. 

Von Halbierung der Armut kann also kaum die Rede sein. 

Besonders verheerend ist die Lage in ländlichen Gebieten. Inwiefern sich die Lage seit 2002 verbessert hat, kann nur begrenzt beurteilt werden. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Trend zumindest etwas verlangsamt wurde, weil die Wirtschaft bis 2002 langsamer wuchs als die Bevölkerung. Seit 2002 erholt sie sich und wächst stetig. Die Ursachen der Armut in Kenia sind vielfältig. Ein sehr hohes Bevölkerungswachstum, eine niedrige Lebenserwartung (51 Jahre), hohe Kindersterblichkeitsrate, HIV/ AIDS, Korruption und über lange Zeit ein geringes Wirtschaftswachstum. Während jährlich 500 000 neue Arbeitskräfte auf den Markt kommen, konnte Kenia zwischen 1999 und 2005 nur 80 000 neue Stellen schaffen. 

In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von einer Armutsfalle, der man kaum aus eigener Kraft entfliehen wird. Der Sachs Report von 2005 sieht ebenfalls in der Armutsfalle die Hauptursache, wieso es in Afrika nicht vorangeht. Deshalb fordert er unter anderem von den Industrienationen ihre Official Development Assistance (ODA) Beiträge radikal zu erhöhen, da es sonst kaum möglich sein wird der Armut Herr zu werden. Die Vorschläge werden seither kritisch diskutiert, besonders, weil einigen Studien zufolge kein Zusammenhang zwischen steigendem Wirtschaftswachstum und ODA Mitteln ausgemacht werden konnte. Weiter gilt Afrika teilweise als over aided. Die Kritik am Sachs Report ist nicht ganz überzeugend, wie später noch gezeigt wird. 

Goal 2: Primärschulbildung für alle

Besser sieht die Lage beim Goal 2 aus. Es besteht durchaus die Chance, dass im Jahr 2015 alle Kinder eine Grundschulausbildung erhalten werden. Während im Jahr 1999 gerade mal 68,8 % der Kinder eingeschult wurden, waren es im Jahr 2004 bereits 82,1 %. Die Fortschritte sind dank der Einführung kostenloser Grundschulausbildung im Jahr 2003 erreicht worden. Trotzdem ist die Lage komplizierter als die Zahlen verraten, denn die Problematik von Goal 2 ist eher qualitativer denn quantitativer Natur. Schon am ganzen Konzept des Zieles wird kritisiert, dass es überhaupt keinen Wert auf die Art der Ausbildung legt. Es fordert nur eine universelle Grundbildung. Doch gerade die Qualität der Ausbildung ist von größter Wichtigkeit. In Kenia wird dies zunehmend erkennbar: Zwar ist die Einschulungsrate hoch, doch fehlt es an qualifizierten Lehrern, an Material und die Schulklassen sind teilweise massiv überfüllt. Generell ist die Qualität der Grundschulen mangelhaft. Des Weiteren besteht weiterhin eine Disparität zwischen ländlichen und urbanen Gebieten. 

Goal 3: Gleichstellung der Geschlechter

Goal 3 fordert, dass die Geschlechterungleichheit auf allen Ebenen der Ausbildung bis spätestens 2015 eliminiert wird, weiter sollen mindestens 30 % der Sitze in Parlamenten von Frauen besetzt werden. Es wird als Fortschritt gewertet, dass dieses Ziel mit in die Milleniumserklärung aufgenommen wurde, weil die Erfahrung lehrt, dass „Armut weiblich ist“.

Kritik wird laut, weil die Ursachen von Geschlechterungleichheiten ausgeklammert werden und nur der formale Zugang zur Entwicklung allein als Erfolg gewertet wird. Die Ergebnisse in Kenia sind gemischt. Die Einschulungsrate von Mädchen in Grundschulen gleicht beinahe der von Jungen. Ungleicher ist die Rate im Sekundarschulwesen. Es werden nicht nur weniger Frauen eingeschrieben, sondern viele brechen vorzeitig ab. Die Gründe dafür sind: Schwangerschaft, Heirat, traditionelle Wertevorstellungen und Hausfrauenaufgaben, um nur einige zu nennen. Im Parlament ist die Lage nicht viel besser, derzeit entfallen nur 8,3 % der Sitze auf Frauen. In diesem Bereich bleibt also noch einiges zu tun. 

Goal 4: Senkung der Kindersterblichkeit

Negativ muss die Bewertung von Goal 4 ausfallen. Ein Dauerproblem in ganz Schwarzafrika. Obwohl Kenia zwischen 1970 und 1990 die Kindersterblichkeitsrate stark senken konnte, beginnt diese seit den 90er Jahren wieder zu steigen. Derzeit sterben auf 1000 Neugeborene ca. 77 Säuglinge (Stand 2003) und 120 Kinder unter 5 Jahren (Stand 2004). Dass der Trend eine negative Wende angenommen hat, wird hauptsächlich mit der HIV/ AIDS Pandemie erklärt, schlechter Versorgung von ländlichen Gebieten und Mangel an Medikamenten. Es ist schwer anzunehmen, dass Kenia das Ziel rechtzeitig erreichen wird. Der MDG Goal verlangt, dass die Sterberate auf unter 50 Kinder pro 1000 Geburten sinken soll. Dies erscheint wenig realistisch für Kenia.

Goal 5: Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter

Die Muttersterblichkeitsrate konnte hingegen verbessert werden. Goal 5 sieht eine Reduzierung um 3⁄4 vor. Noch ist unklar ob dieses Ziel erreicht werden kann. Während 1990 auf 100,000 Frauen 670 starben, sind es im Jahr 2003 nur noch 414. Im Jahr 2015 sollten es nicht mehr als 168 sein. Die meisten Frauen sterben aufgrund von Komplikationen bei der Geburt oder bei illegalen Abtreibungen. Eine große Herausforderung ist und wird bleiben, wie die medizinische Versorgung von ländlichen Regionen gewährleistet werden kann. 

Goal 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten

Goal 6 zufolge soll die Ausbreitung von HIV/ AIDS und Malaria bis 2015 gestoppt und zum Rückzug gezwungen werden. Gemeinhin sind es diese beiden Krankheiten, welche mit unter für das Nichtvorankommen der Entwicklungsländer verantwortlich gemacht werden. UNAIDS zufolge gab es im Jahr 2007 33.2 Millionen HIV-Infizierte, im Vergleich zum Vorjahr haben sich 2,5 Millionen neu angesteckt und 2,1 Millionen sind gestorben. Am schwersten betroffen ist Schwarzafrika (67 % aller Infizierten leben dort), wobei erste Anzeichen erkennbar sind, dass die Krankheit sich auf einen Level einpendelt und die Verbreitung nicht mehr ganz so rapide wächst wie in den 1990er Jahren. In Kenia sind die Anstrengungen zur Eindämmung der Krankheit eine Erfolgsgeschichte. Die Krankheit ist seit Jahren auf dem Rückzug. Höchststand war das Jahr 2001 mit 15 % der Bevölkerung infiziert. Im Jahr 2003 waren es nur noch 6,7 %. Der erste AIDS Fall wurde Mitte der 1980er bekannt, doch erst ab 1997 nahm sich die Regierung dem Problem an, dann aber sehr erfolgreich. Besonders der National HIV/ AIDS Strategic Plan 2000-2005 hat positive Effekte gebracht. Hauptziel war das Verhalten der Bevölkerung für das Thema AIDS zu sensibilisieren und die Bereitschaft zu steigern, Verhütungsmittel zu benutzen. Trotz dieser Leistung wird aber auch in Kenia deutlich, wieso manche Wissenschaftler zu der Einsicht gelangten, dass gerade diese Krankheit jeglichen Fortschritt verhindert. In Kenia sterben weiterhin alle 5 Minuten zwei Menschen an AIDS. Dass die Wirtschaft unter solchen Umständen sehr in Mitleidenschaft gezogen wird, ist nur zu verständlich. Das Land benötigt dringend Medikamente um diese Sterberate zu verringern und damit der Wirtschaft zu neuem Aufschwung zu verhelfen. Derzeit können gerade mal 12 000 Menschen eine Behandlung bezahlen. Ohne Medikamente wird es kaum möglich sein die MDGs zu verwirklichen, einfach deshalb, weil die Wirtschaft sich nicht erholen kann. Deshalb wird das Problem auch im Goal 8 (Target 17) thematisiert. Doch es entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn man betrachtet, wie die Versorgung mit Medikamenten gewährleistet werden soll. Den Entwicklungsländern soll in Kooperation mit den Pharmaunternehmen Zugang zu diesen ermöglicht werden. Das Schlüsselwort ist Kooperation mit den Pharmaunternehmen, also den Unternehmen die seit Jahren dafür kämpfen, dass ihr Monopol nicht aufgebrochen wird.

Goal 7: Ökologische Nachhaltigkeit

Goal 7 wird von Franz Nuscheler folgendermaßen betitelt: „Sinnentleerung des Prinzips Nachhaltigkeit“. Zu Recht, denn gegenüber der Rio Konferenz von 1992 ist Goal 7 weniger ambitioniert und mit Indikatoren beladen, die eher in Goal 1 hineingehören (Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen). Die Aufwertung und Aufnahme von Nachhaltigkeit, wie minimal sie auch immer definiert wird, sollte trotzdem positiv bewertet werden, weil zunehmend erkannt wird, dass Armut und Umweltzerstörung in einem wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen. Viel kritischer ist zu bewerten, dass Goal 7 nur Entwicklungsländer verpflichtet, nicht die Industrienationen. Dabei sind es gerade diese Länder, welche für die schlimmsten Umweltverschmutzungen verantwortlich sind. Hinzu kommt, dass diese reichen Länder selbst nicht in der Lage sind signifikante Fortschritte zu machen, um nachhaltig zu wirtschaften. Aber genau das wird von Entwicklungsländern gefordert. Wie glaubwürdig ist das? 

Goal 7 offenbart zudem eine Schwierigkeit, welche bisher nicht adäquat gelöst werden konnte: Wie soll man nachhaltig wirtschaften, wenn die Zerstörung der Umwelt das BSP steigert? Das BSP gilt weiterhin als Hauptindikator um zu messen, wie wohlhabend und damit entwickelt ein Land ist. Er misst aber nicht, wie sehr die Umwelt geschädigt wird. Ganz im Gegenteil, in der Regel gilt: je mehr sie zerstört wird, desto höher das BSP. Deshalb tut sich die westliche Wirtschaft selbst so schwer damit nachhaltiger zu werden. Es hemmt nämlich das Wachstum und ist mit hohen Kosten verbunden. Wie falsch diese Einsicht auch sein mag, sie ist weiterhin gültig. 

Natürlich kann es nicht bedeuten, dass Entwicklungsländer ein Recht zugesprochen werden soll ihre Umwelt zu zerstören. Allein schon deshalb nicht, weil die Problematik zum Teil eine Andere ist. Aber der scheinbare Konflikt zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum bleibt. 

Kenias größte Gefahren liegen in Abrodung, Landdegradierung und Wasserverschmutzung. Die Abholzung von Wäldern konnte bisher nicht gestoppt werden. Es wird geschätzt, dass seit 1930 ungefähr 65 % des natürlichen Waldes verloren ging. Ebenso sinkt die Zahl der neu bepflanzten Fläche kontinuierlich. Hauptgrund für diesen Verlust ist Armut und eine stetig steigende Bevölkerungszahl. Weil es keine Alternativen gibt, gilt weiterhin Holz als Hauptenergie- und Einnahmequelle. Zugleich trägt gerade dieser Verlust an natürlichen Ressourcen langfristig dazu bei, dass Kenia arm bleibt.

Ähnlich verheerend ist die Bodendegradierung aufgrund unökologischer Landwirtschaft, besonders weil die Böden in Kenia sehr empfindlich sind. Kenia, wie viele andere Staaten, stecken in einem Teufelskreis. Auf der einen Seite müssen sie wirtschaften, weil es ums schiere Überleben geht und auf der anderen Seite wird ihnen signalisiert – und sie erkennen es zunehmend selbst – das gerade dieses Wirtschaften sie langfristig arm halten wird. Wie man diesem Teufelskreis entfliehen soll, ist bisher nicht geklärt. 

Entwicklungsländern fehlt es oft an zwei wichtigen Voraussetzungen zur Erfüllung von Nachhaltigkeit: starke staatliche Institutionen, um die ländlichen Regionen zu erreichen und die notwendigen finanziellen Mittel. Die Probleme sind einfach gravierender und komplexer als Goal 7 thematisiert. 

Selbstverständlich kann nur jedes Land seine Umweltprobleme selbst lösen. Doch solange eine beggar-my-neighbour Politik im internationalen Kontext vorherrscht, wird es kaum zu großen Veränderungen kommen. Das Problem liegt zum einen im Selbstverständnis der Ökonomie und zum anderen darin, dass die meisten Länder ihre Umweltprobleme nicht lösen, sondern einfach in andere Länder exportieren.  

Zwei Beispiele sollen das verdeutlichen. China ist nicht nur bekannt für seine billigen Produkte, sondern auch für seine Funktion als Müllentsorgungsstätte. Einige westliche Länder lösen ihre Müllproblematik, indem sie China viel Geld dafür bezahlen, schwer abbaubaren und extrem umweltschädlichen Müll anzunehmen und zu entsorgen. Ein ähnliches Verhalten findet sich in der Abrodung von Wäldern. Es gibt durchaus Staaten, die ihre Wälder mittlerweile gut schützen. Japan und China gehören dazu. Das war nicht immer so. Über lange Zeit rodeten beide auf eine sehr unökologische Art und Weise. Dies nahm eine Wende, als sie erkannten, welch verheerende Konsequenzen das zur Folge hat. Aber der Bedarf an Holz ist seither nicht gesunken, vielmehr wurde das Problem einfach in andere Länder verlagert. Anstatt ihre eigenen Ressourcen zu verschwenden, lassen sie nun andere Länder ihre Wälder roden und importieren das Holz dann. 

Das Problem bleibt, nur nicht mehr in den Ländern selbst. Der Schutz von natürlichen Ressourcen ist und bleibt eine der größten Herausforderungen des 21 Jahrhunderts. Dass Entwicklungsländer in dieser Hinsicht keine Fortschritte machen, sollte nicht verwundern, denn Goal 7 ist ein Problem der Welt. 

Wie wir bis hierher sehen konnten, ist die Bezeichnung der MDGs als country goals durchaus berechtigt. 

Goal 8: Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung

Der internationalen Gemeinschaft kommt eine wichtige Funktion zu. Goal 8 verpflichtet sie, Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Entwicklung förderlich sind. Praktisch sollte es so aussehen, dass alle internationalen Organisationen und die reichen Staaten selbst eine Politik verfolgen, welche den Entwicklungsländern zugute kommt. Hier wird die größte Inkohärenz deutlich. 

Das soll an einem Target von Goal 8 vorgeführt werden, namentlich an den ODA Beiträgen (Target 13). Der Sachs Report fordert eine Erhöhung der ODA Beiträge in einem Stufenplan, der jetzt schon wieder obsolet geworden ist. Demnach hätten die ODA Beiträge im Jahr 2006 auf 135 Milliarden $ (0,44 % des BSP) ansteigen, bis 2010 dann auf 152 Milliarden $ (0,46 %) und 2015 bei 195 Milliarden $ (0,52 %) liegen sollen. Alles also unter der 0,7 % Marke, zu der sich die Industriestaaten selbst verpflichtet hatten. Der tatsächliche ODA Beitrag für 2006 betrug dann aber nur 104 Milliarden $ (0,31 % des BSP). 

In Wahrheit war er noch niedriger, weil der Schuldenerlass für Nigeria und Irak abgezogen werden muss. An diesem Punkt wird deutlich, warum die Kritik am Sachs Report nicht überzeugt. Es wird kritisiert, dass finanzielle Mittel und Wirtschaftswachstum nicht unbedingt zusammenhängen und dass das Problem vielmehr Good Governance ist. Dem zweiten Punkt stimmt der Report partiell zu, doch der erste Punkt wird verworfen. Die Kritik geht nämlich von einem falschen Verständnis der ODA Beiträge aus. Der überwiegende Teil der finanziellen Hilfe kommt in Form von technischer Hilfe, administrativen Kosten, Nahrungslieferungen bei Katastrophen, Schuldenerlass und ähnliches. Dass diese Hilfe nicht unbedingt mit Wirtschaftswachstum korreliert, leuchtet ein. Deshalb schlägt Sachs vor, die Berechnung der Beiträge zu ändern. Demnach sollten nur die Beiträge zu ODA gerechnet werden, welche wirklich Investitionen und den Dienstleistungssektor unterstützen. In diesen Bereichen sind sie wirklich wachstumsfördernd. 

Eine überzeugendere Kritik am Konzept der ODA kommt von Samir Amin. Er merkt dazu an: „Is there a better comedy than this proposal, endlessly repeated for the last fifty years by those who are responsible for implementing it and yet never do it?” Es ist viel wahrscheinlicher, dass die ODA Beiträge nicht die versprochene Marke erreichen, als das sie nicht wirklich helfen. Dass finanzielle Hilfe nur Ländern zukommen sollte, die eine gute Regierungsführung nachweisen können, wird nicht bestritten. Doch verweist der Report darauf, dass viele der afrikanischen Staaten bereits eine angemessene Regierungsführung aufweisen und trotzdem nicht genug Unterstützung erfahren. 

Diese Annahme ist etwas schwierig zu bewerten. Schauen wir noch mal auf Kenia. Für das ganze Jahr 2006 suspendierten die Weltbank und der IWF alle Hilfskredite an das Land aufgrund steigender Korruption. Auf der anderen Seite erhielt es 2007 den UN Public Service Award, ein Preis der für gute Regierungsführung vergeben wird. Die Hilfsleistungen fließen mittlerweile wieder. Allerdings handelt es sich nur um Kredite. Die ODA Beiträge, die Kenia erhält, fallen jährlich immer niedriger aus. Die Probleme scheinen darin zu liegen, dass es keine Kontinuität gibt. Es gibt Fortschritte und Rückschritte. Wie die derzeitige Krise sich auf die Hilfsleistungen auswirken werden ist noch unklar. 

Die ODA Zahlungen werden sicherlich nicht steigen. Das liegt aber weniger an Kenias schlechter Regierungsführung, denn am gebrochenen Versprechen der Industriestaaten. Eine ähnliche Inkohärenz findet sich in den WTO Verhandlungen. Den MDGs zufolge sollten die Handelsbedingungen besonders den Entwicklungsländern dienlich sein. An den gescheiterten Verhandlungen seit 2001 wird deutlich, wie wenig das der Fall ist. Betrachtet man diese und andere praktische Umsetzungen von Goal 8, ist es schwer nicht von Heuchelei zu sprechen. Eines ist klar, ohne Anstrengung der reichen Länder, wird es nicht möglich werden, die Goals zu erreichen. Welchen Einfluss die MDGs nun für Afrika haben, ist schwer zu beantworten. Allein schon deshalb, weil sie nicht wirklich neu sind. Man kämpft schon seit Jahrzehnten gegen Armut. Die Frage ob es sich um alten Wein in neuen Schläuchen handelt, ist durchaus berechtigt. 

Literaturangabe

Bücher

Diamond, Jared: Collapse. How Societies Choose To Fall Or Survive, London 2006. 

Davidson, Eric A.: You Can’t Eat GNP. Economics As If Ecology Mattered, Massachusetts 2001.

UN Report: Investing In Development. A Practical Plan To Achieve The Millennium Development Goals, UK/ USA 2005.

Nuscheler, Franz / Roth, Michele (Hrsg.): Die Millenium-Entwicklungsziele. Entwicklungspolitischer Königsweg oder ein Irrweg?, Bonn 2006. 

Artikel 

Amin, Samir: The Millennium Development Goals. A Critique from the South

Martens, Jens: Der Bericht des UN Milleniumprojekts „Investing in Development“

Pogge, Thomas: The First UN Millennium Developmnet Goal: A Cause for Celebration?, 2003

Scheen, Thomas: Korruption als Triebfeder der kenianischen Politik, in FAZ vom 27.12.2007. 

Internetquellen

Freedom House: Freedom In The World – Kenya

Human Development Index 2007 für Kenia

MDGs Status Report for Kenya 2005

OECD: Final Official Development Assistance (ODA) data for 2006

The Millennium Development Goals Report

UNAIDS: AIDS Epidemic Update 2007

Worldbank: Kenia Earns Global Prize for Progress in Governance

World Factbook 2007