Was geschieht mit einem Staat, der seine Waffen aus dem Ausland bezieht und plötzlich in den Krieg zieht?

Der Waffenexport wird von fünf Staaten dieser Welt dominiert: USA, Russland, Deutschland, Frankreich und China.

Diese Länder müssen nichts fürchten, wenn sie in den Krieg ziehen, weil sie Ihre Waffen selbst herstellen. Doch was geschieht mit dem Rest?

Heute schauen wir uns das zweite Argument gegen den Freihandel an, nämlich die Sicherheitsbedenken.

Was geschieht also mit Staaten, die selbst keine Waffen produzieren?

Ein Argument gegen den Freihandel liegt in der Antwort auf diese Frage verborgen. Es gibt gewisse Bereiche der Wirtschaft, die geradezu nach Unabhängigkeit schreien. Kein Staat möchte in Schlüsselindustrien, die die Sicherheit des Staates oder der Bevölkerung betreffen, abhängig werden. Zumindest nicht in so einem Maße, dass ein Stop des Handels die Sicherheit ernsthaft gefährden könnte.

In der Ökonomie gehört das Sicherheitsargument zu einem validen Grund, den Handel zu beschränken. Umstritten ist nur, welche Bereiche tatsächlich dazu gehören. Um das Beispiel der Waffenexporte aufzugreifen, kann getrost behauptet werden, dass kleine Staaten kaum die Investitionen tätigen können, um moderne Waffen herzustellen. Sie sind deshalb gezwungen, die Waffen bei diesen Anbietern einzukaufen. In Friedenszeiten stellt das auch kein Problem dar. Aber so richtig wohl fühlt sich kein Staat mit dieser Abhängigkeit. Die Ukraine musste schmerzhaft erfahren, wie problematisch diese Abhängigkeit ist.

Natürlich gehört dieser Sektor zu einem sehr umstritten Handelsbereich und viele Pazifisten würden diesen Handel am liebsten ganz verbieten, genauso wie die Entwicklung neuer Waffen. In der Politik spielt die Sicherheit aber eine wesentliche Rolle. Nicht grundlos definierte der Soziologe Max Weber den Staat als die einzige legitime Instanz, die Gewalt einsetzten darf. Dazu benötigt der Staat eben auch Waffen.

Aber auch in anderen Handelsbereichen wird gerne das Sicherheitsargument angeführt, um den Handel einzuschränken. Nehmen wir den Lebensmittelbereich. Im TTIP geht es eben auch um die Frage, ob genmanipulierte Lebenmittel den europäischen Markt erobern dürfen. Hier stoßen zwei Welt aufeinander.  Die Amerikaner stehen neuen Lebensmitteltechnologien prinzipiell positiv gegenüber. Solange etwas nicht als schädlich erkannt wird, ist es gut. Die Amerikaner propagieren hier das Nachsorgeprinzip. Die Europäer sind hier vorsichtiger. Bevor eine neue Technologie den Markt betreten darf, muss gesichert sein, dass sie nicht schädlich ist. Das nennt man das Vorsorgeprinzip.

An dieser Stelle soll gar nicht entschieden werden, welches Argument überzeugender ist. Wir könnten es dabei belassen, dass beide Wirtschaftsblöcke eben unterschiedlichen Umgang mit Gefahren pflegen. Aus ökonomischer Perspektive spricht nichts dagegen, dass es solche Unterschiede gibt. Allerdings kann dieses Argument eben auch missbraucht werden.

Vor kurzem bestellte eine Kollegin eine ayurvedische Salbe in Indien. Diese Salbe erreichte sie nie, sondern landete direkt beim Zoll. Der Zoll ließ diese Salbe von einem Labor auf gefährliche Stoffe untersuchen und dieses Labor stieß tatsächlich auf einen Stoff, der auf dem Index steht. Die Salbe musste also zurück nach Indien gehen. Eigentlich eine gute Sache, dass der Staat auf die Sicherheit seiner Bürger achtet. Aber dann kam der Clou: eine Apotheke darf diese Salbe importieren und verkaufen, ein normaler Bürger nicht. Ist hier also die Sicherheit nur vorgeschoben, um bestimmte Interessen zu wahren?! Das scheint der Fall zu sein.

Zu entscheiden, wann es Sinn macht, den Handel zu beschränken, um die Sicherheit zu wahren, kann sehr schwierig sein. Manchmal geht das Argument auch in die andere Richtung. Im TTIP geht es beispielsweise auch um den Handel mit Gas. Viele mittel- und osteuropäischen Staaten befürworten TTIP, weil sie darin eine Möglichkeit sehen, der Abhängigkeit von russischen Gas zu entfliehen oder diese zumindest zu verringern. Der Handel mit Gas und Öl verdeutlicht überhaupt, wie problematisch diese Abhängigkeit ist. Auch hier steht die Sicherheit oft auf dem Spiel, aber viele Staaten haben keine Möglichkeit dieser zu entfliehen, weil es nur wenige Anbieter weltweit gibt. Hier wünscht man sich mehr Handel, um die eigene Abhängigkeit zu verkleinern.

Es gibt also Bereiche, wie den Waffen und Ölhandel, wo die Sicherheit offensichtlich sensibel berührt wird. Allerdings floriert der Handel trotzdem, weil es eben wenige Anbieter gibt. Hier würden die meisten Staaten gerne unabhängiger werden, können es leider aber nicht.

In vielen anderen Bereichen - beispielsweise im Handel mit Lebensmitteln, Chemikalien und Pestiziden - kann und wird die Debatte um die Sicherheit gesellschaftlich geführt. Hier haben Staaten durchaus die Möglichkeit, den Handel zu beschränken. TTIP ist gerade in diesen drei Bereichen sehr kontrovers.

Wie kann man nun bewerten, ob der Handel tatsächlich die Sicherheit gefährdet? Die erste Frage sollte immer lauten: Wer behauptet, dass die Sicherheit des Landes auf dem Spiel steht? Sind es Produzenten, die das sagen, oder gesellschaftliche Gruppen und Ministerien.

Produzenten haben meistens die Neigung, dieses Argument zu missbrauchen, um ihren Sektor zu schützen. Wenn Apotheker eine Salbe verkaufen dürfen, gleichzeitig aber die unbeschränkte Einfuhr dieser Salbe ablehnen, dann geht es wahrscheinlich nicht um die Sicherheit sondern um Interessen. Wenn das gleiche Argument von Bundesministerium für Gesundheit (BMG) vorgebracht wird, dann sollte man es eher ernst nehmen. Vorausgesetzt das BMG vertritt nicht einfach nur die Interessen der Produzenten. Das ist nicht immer gesichert.