Es gehört bis heute zu den Grundannahmen moderner Wirtschaftswissenschaften, dass der Egoismus des Einzelnen zum Nutzen der Gesamtheit beiträgt. So verkündete es der Philosoph und Ökonom Adam Smith in seinem Werk “The Wealth of Nations”.

Der entscheidende Passus lautet:

It is not from the benevolence of the butcher, the brewer, or the baker, that we expect our dinner, but from their regard to their own interest.


Der Bäcker um die Ecke befriedigt mein Bedürfnis nach Brötchen nicht aus Selbstlosigkeit und Nächstenliebe, sondern aus purem Eigennutz. Trotzdem sichert eine unsichtbare Hand - kurz gesagt der Markt -, dass dieser Eigennutz der Gesellschaft zugute kommt.

In vielen Fällen gilt diese Aussage bis heute. Doch manchmal versagt die unsichtbare Hand und führt dazu, dass sowohl der Einzelne als auch die Gesamtheit nicht profitieren.

Einen solchen Fall wollen wir uns anhand der Szene aus dem Film “A Beautiful Mind” anschauen.



Diese Filmsequenz führt uns in die Welt der Spieltheorie ein.

Bisher erhielt nur ein deutscher Ökonom den Wirtschaftsnobelpreis und zwar Reinhard Selten, der an der Bonner Universität lehrt. Er erhielt den Nobelpreis für Errungenschaften auf dem Gebiet der Spieltheorie. Diesen Preis erhielt er 1994 zusammen mit John Nash - dem Hauptprotagonisten der Filmszene - und John Harsanyi.

Was ist Spieltheorie?

Einfach gesprochen ist Spieltheorie eine mathematische Disziplin, die untersucht, was passiert, wenn ein Ergebnis nicht nur von der Entscheidung einer einzelnen Person abhängt sondern von vielen Personen.

Adam Smith spricht im oberen Passus von Entscheidungen einzelner Menschen. Der Bäcker kann, muss aber nicht, seine Brötchen backen und sie verkaufen. Alles hängt von seiner Entscheidung ab. Wenn er sich entscheidet, Brötchen zu backen, dann nutzt das allen, wenn er das nicht tut, dann nutzt es keinem. In diesem Fall ist es nur verständlich, dass er die Brötchen backt und verkauft. Der Bäcker muss aber nicht die Entscheidungen anderer groß berücksichtigen.

Doch so einfach ist die Welt nicht. Manchmal hängt das Ergebnis einer Entscheidung nicht nur von einer Person sondern von vielen Personen ab und hier versagt der Ansatz von Adam Smith. An Verhandlungen sind beispielsweise mindestens zwei Parteien beteiligt und das Ergebnis hängt eben von beiden Parteien ab.

Das verdeutlicht John Nash in dem Filmausschnitt. Wenn wir alle die Blondine ansprechen wollen, dann blockieren wir uns und niemand kriegt sie. Wenn wir danach die Freundinnen ansprechen, dann kriegen wir eine Absage, weil niemand die zweite Wahl sein möchte. Also was tun wir? Wir ignorieren die Blondine und konzentrieren uns direkt auf die Freundinnen. Niemand kriegt, was er wirklich will - nämlich die Blondine - aber zumindest kriegen wir etwas - eine der Freundinnen. Etwas ist immer noch besser als Nichts.

Für diese Erkenntnis - genannt Nash-Gleichgewicht - hat John Nash den Nobelpreis erhalten.

Von der Genialität dieser Lösung nicht überzeugt?! Das kommt noch. Wir sind ein wenig zu schnell gewesen und Nash war ein Mathematiker, der die Lösung in eine Formel packte. Formeln verlieren leicht ihre Genialität, wenn sie in Alltagsbeispiele überführt werden.

Trotzdem fanden die Mathematiker ein Beispiel, das die Probleme der Spieltheorie verdeutlichen helfen.

Das Gefangenendilemma

Wir kennen die Situation nur zu gut. Zwei Männer begehen einen Mord. Sie werden gefasst, aber die Polizei kann ihnen den Mord nicht nachweisen, sofern nicht einer auspackt. Nehmen wir ferner an, dass die beiden mit einer Waffe gefangen wurden. Für Waffenbesitz kann man sie verknacken. Aber die Polizei will sie wegen dem Mord drankriegen.

Was tun?

Zunächst verhören wir sie getrennt voneinander. Sie sollen nicht die Möglichkeit haben, sich abzusprechen. Und jetzt üben wir ordentlich Druck aus. Ein böser Cop erzählt einem der Gefangenen, dass der andere schon geplaudert hat. Aber der Polizist glaubt, dass der Veräter der eigentliche Täter ist. Also schlägt er dem Gefangenen einen Deal vor. Wenn du aussagst, dann kommst du frei, ansonsten gehst du für 20 Jahre in den Knast und dein Freund kommt frei. Das Gleiche wird dem zweiten Gefangenen erzählt.

Die Gefangenen stecken in einem Dilemma.

Sie haben vier Möglichkeiten

Lösung A: Beide schweigen und gehen gemeinsam für 2 Jahre wegen Waffenbesitz ins Gefängnis.

Lösung B: Beide packen aus und gehen gemeinsam wegen Mordes für 10 Jahre ins Gefängnis.

Lösung C: Gefangener 1 packt aus und kommt frei, Gefangener 2 schweigt und geht wegen Mordes 20 Jahre in den Knast.

Lösung D: Gefangener 2 packt aus und kommt frei, Gefangener 1 schweigt und geht für 20 Jahre in den Knast.

Intuitiv sagt jeder, dass es besser wäre, wenn beide Schweigen. Das schlimmste Ergebnis tritt ein, wenn sich beide gegenseitig Verraten. Die Spieltheorie sagt uns aber, dass genau das passieren wird und passieren soll. Die Rationalität zwingt jeden der Verbrecher auszupacken und für 10 Jahre ins Gefängnis zu wandern.

Warum?

Ganz einfach. Die Mörder haben nur zwei Möglichkeiten: Schweigen oder Verraten. Schweigen führt entweder zu 2 Jahren oder zu 20 Jahren. Verraten führt entweder zu 0 Jahren oder 10 Jahren.

Sie müssen nur rechnen und die Rechnung sagt: Pack aus. Wenn mann sich nur die Zahlen anschaut, dann gibt es keine andere Wahl. Die Rationalität zwingt jeden, den anderen zu verraten.

Auf dieses Dilemma rationaler Entscheidungsfindung hat uns eben die Spieltheorie gestoßen. Manchmal wissen wir, dass es besser wäre zu kooperieren, aber gewisse Situationen zwingen uns, genau das nicht zu tun. Ich kann eben nicht vorhersehen, was der andere tut. Ich muss mit dem arbeiten, was da ist.

An diesem Beispiel kann man auch wunderbar das Nash-Gleichgewicht erkennen. Ein Nash-Gleichgewicht ist gegeben, wenn keiner der Spieler einen Vorteil erzielen kann, nur weil er einseitig seine Strategie ändert. Wenn ich vom Verraten abweiche, dann kann ich mich in keinem denkbaren Szenario verbessern. Ich habe bereits die beste Wahl getroffen. Dasselbe finden wir in der Filmszene. Niemand kann sich verbessern, wenn er die Blondine wählt.

Hier muss man aber noch einen Aspekt berücksichtigen, damit das ganz deutlich wird. In der Filmszene könnte ein Fuchs die folgende Lösung vorschlagen: Ich einige mich mit meinen Freunden darauf, dass wir die Blondine ignorieren. Aber sobald wir uns den Damen nähern, wähle ich trotzdem die Blondine, während meine Freunde, sich von ihr fernhaften. So würde ich als Einziger die Blondine ansprechen und sie wahrscheinlich auch kriegen.

Aber Nash stellt hier eine simultane Spielsituation vor. Simultan bedeutet, dass wir gleichzeitig entscheiden müssen. Das wird noch deutlicher im Gefangenendilemma. Die Gefangenen können nicht abwarten, was der andere tut und dann Ihre eigene Wahl treffen. Beide müssen zeitgleich entscheiden bzw. sie erfahren erst nach Ihrer Wahl, wie der andere gewählt hat.

Spieltheoretische Situationen beginnen immer mit diesen vier Annahmen:

1. Ich muss handeln. Nicht zu handeln, ist ebenfalls eine Handlung.

2. Das Ergebnis meiner Handlung hängt nicht nur von meiner Entscheidung ab, sondern auch von der Entscheidung meiner Mitspieler.

3. Ich weiß nicht, wie meine Mitspieler entscheiden werden, aber ich kenne Ihre Optionen.

4. Meine Mitspieler wissen nicht, wie ich mich entscheiden werde. Aber auch sie wissen, welche Optionen ich habe.

Natürlich könnte man nun einwenden, dass es manchmal eben doch geht zu kooperieren. Wenn die zwei Mörder der Mafia angehören, dann werden sie wahrscheinlich schweigen. Jeder weiß, was mit Verrätern geschieht. Und unter Freunden würden wir ebenfalls eher zum Schweigen tendieren. Wir würden darauf vertrauen, dass der andere ebenfalls die nicht rationale Wahl trifft.

Aber im Grunde ist das ein sehr schwaches Argument und in vielen Situationen wissen wir eben nicht, was die anderen tun werden. Deshalb müssen wir auf die Optionen schauen, die wir haben und dann die Günstigste auswählen. Leider ist die günstigste Option in spieltheoretischen Situationen oft schlecht.

Wen dieses Dilemma nicht überzeugt, den verweise ich auf die Webseite von Professor Rieck. Er stellt das Gefangenendilemma in einer noch überzeugenden Formel da. Bedenkt, dass die Spieltheorie aus der Mathematik kommt, die Beweise besser begründen kann als Alltagsbeispiele.

Die Kubakrise als Beispiel einer spieltheoretischen Situation

Der Name Spieltheorie kommt nicht von irgendwo her. Im Grunde geht es bei dieser Disziplin um die Berechnung von Optionen. Schachspieler sind sehr geübt darin. Wer sich viel mit dieser Theorie befasst, lernt immer einige Schritte im Voraus zu denken. Politiker sind beispielsweise sehr oft mit spieltheoretischen Situationen konfrontiert, die erfordern, dass man alle Optionen richtig durchspielt.

Ein solches Beispiel wollen wir uns nun anschauen, nämlich die Kubakrise im Oktober 1962. Ich möchte die Geschichte hier nicht nacherzählen, sondern wieder eine Filmszene zeigen. Der Film “Thirteen Days” behandelt diesen Konflikt und ist gleichzeitig eine der besten Einführung in praktische Spieltheorie. Dieser Film zeigt auch, welch folgenreichen Konsequenzen eine rationale Entscheidungsfindung haben kann.


Worin besteht das Dilemma dieser Krise?

Die Amerikaner entdecken die Raketen und haben nur eine bestimmte Zeit, bevor diese Waffen Abschuss bereit sind. Sobald die Waffen installiert sind, können die Amerikaner sie nicht einfach zerstören. Eine Garantie, dass alle erwischen werden, gibt es dann nämlich nicht. Die Waffen müssen also zerstört oder abgezogen werden, bevor sie Abschuss bereit sind.

Kommunikation mit der Sowjetunion ist nicht möglich.

Was tun? Die Militärs schlugen damals sofort vor, die Raketen mit Luftangriffen zu zerstören. Doch wie hätten die Sowjets darauf reagiert?! Kennedy fragt einen seiner Generäle, was wir tun würden, wenn die Sowjets eine unserer Raketen zerstören würden. Der General zögert eine Antwort zu geben. Klar, die Antwort ist nämlich undenkbar. Ein Atomkrieg wäre vorprogrammiert.

Die Lösung dieser Krise ist ebenfalls sehr genial. Aber die werde ich hier nicht verraten. Schaut euch den Film einfach an und diskutiert mit mir über diese Lösung.

Empfohlene Literatur