Was für eine dumme Frage! Da schaut wohl jemand keine Nachrichten? Politikern muss man heute misstrauen, weil sie nie im Sinne der Bürger regieren, stimmts?!

Schon mal hinterfragt, ob das wirklich der einzige Grund ist? Vielleicht liegt es nicht nur an der Politik?

Wie steht es um das Argument, dass wir heute generell weniger fähig sind, zu vertrauen?! Und wir vertrauen weniger, weil wir zunehmend isoliert leben. Zu psychologisch?!

Lassen Sie mich erklären.

Grundlage von Vertrauen und Misstrauen

Das Gegenteil vom Misstrauen ist Vertrauen und Vertrauen können wir nur in unsicheren Situationen praktizieren. Wir riskieren etwas. Wenn wir uns einer Sache sicher sind, brauchen wir nicht zu vertrauen. Politik scheint so ein Risiko zu sein, weil wir nie sicher sein können, dass Politiker in unserem Sinne regieren.

Vertrauen basiert auf Erfahrungen. Wenn ein Freund uns etwas verspricht, bisher diese Versprechen aber nie eingehalten hat, dann wird es riskanter diesem Menschen zu vertrauen. Insofern verwundert es nicht, dass Bürger heute der Politik weniger vertrauen. Die Bereichterstattung über das Fehlverhalten von Politikern zeigt, warum es besser ist, Politikern zu misstrauen.

Wir wissen aber auch, dass die Berichterstattung überwiegend von schlechten Nachrichten lebt. Nur weil die Medien über das Fehlverhalten von Politik berichten, bedeutet noch nicht, dass Politik heute weniger kompetent ist als vor 50 Jahren. Wir leben in einer Mikrowelt, in der wir ganz viele vereinzelte Ereignisse erfahren, die uns aber zunehmend blind für das große Ganze machen.

Ein Beispiel soll das verdeutlichen. Jeder Deutsche kann heute erwarten ein langes Leben in Gesundheit zu führen. Das ist erwiesen. Wir leben nicht nur länger, sondern auch gesünder. Trotzdem hatten noch nie so viele Menschen Angst vor Krankheit und Tod. Achten Sie mal darauf, wie oft Menschen sich darüber Sorgen machen, dass sie krank werden könnten.

Die Erfahrung müsste hier zu einem gestiegen Vertrauen führen. Das scheint aber nicht zu passieren. Warum?

Die offensichtlichste Antwort finden wir in der medialen Logik. Berichtet wird am liebsten über Gefahren. Selbst wenn wir diese Gefahren im täglichen Leben nicht erfahren, glauben wir, dass die Welt gefährlicher wird. Paradox, oder?!

Es gibt auch positive Beispiele dieser Logik. Technikunternehmen vertrauen wir sehr wohl, obwohl auch hier immer wieder Missstände - insbesondere der Mitarbeiter - bekannt werden. Das liegt daran, dass über Technik öfters positiv berichtet wird als über Politik.

Wenn es um Politik geht, so müssten wir zumindest eingestehen, dass uns diese Logik ebenso täuschen könnte. Vielleicht sind unsere Politiker gar nicht so inkompetent, wie sie in den Medien wirken?! Bitte lyncht mich nicht, es ist ja nur eine Hypothese.

Ein Leben voller Ungewissheit macht uns misstrauischer

Wenn die mediale Logik uns täuschen kann, dann stellt sich die Frage, ob unser Misstrauen nicht andere Ursachen hat. Wie steht es um das Argument, dass unser persönliches Leben zunehmend von Unsicherheit geprägt wird und wir deshalb misstrauischer werden.

Wo fühlen sich Menschen besonders sicher? In einer vertrauten Umgebung. Deshalb sind die Bewohner eines Dorfes weniger in psychologischer Behandlung. In einem kleinen Dorf ist die Welt noch in Ordnung, weil uns diese Umgebung Verlässlichkeit bietet. Aber ein Dorfleben gehört zunehmend der Vergangenheit an.

Die Suche nach Arbeit führt uns in die Städte, manchmal hunderte Kilometer von unserer Heimat entfernt und zunehmend nur für einen Zeitvertrag. Durchaus möglich, dass wir zwei Jahre später wieder umziehen müssen, um eine neue Arbeit anzunehmen. Heute keine Seltenheit mehr. Selbst wenn wir nur innerhalb der Stadt ständig neue Arbeitsstellen antreten, wächst unser Misstrauen, weil wir uns immer mit der Zukunft befassen müssen und nie sicher sein können, dass es gut wird.

Die unsichere Lebensart führt dazu, dass unsere Beziehungen kurzfristiger und unverbindlicher werden. Facebook und Skype sind nicht grundlos erst in unserer Zeit so erfolgreich geworden. Es passt einfach zu unserem Leben, dass wir mehr über das Netz kommunizieren und weniger in persönlichen Begegnungen. Gleichzeitig erlaubt uns das Diktat der Zeitverträge kaum noch in einem Verein oder in einer politischen Partei mitzuwirken. Politisch können wir uns nur noch über das Internet engagieren und Sportvereine sind nur dann akzeptabel, wenn die Mitgliedschaft auch in einer neuen Stadt weiter gilt. Deshalb sind Sportketten so erfolgreich. McFit treffen wir in jeder Stadt an.

Diese Entwicklung führt in letzter Konsequenz zu mehr Isolation. Die besten Freunde finden wir heute in Serien, die wir nach der Arbeit genießen. Die Vorläufer von Serien waren Soap Operas, die speziell für Hausfrauen gedreht wurden, um ihnen bei der Hausarbeit ein reiches Leben vorzugaukeln. Und natürlich um Waschpulver zu verkaufen. Heute lieben wir alle Serien und ich vermute es liegt daran, dass sie uns Verlässlichkeit bieten. Egal ob wir die Stadt oder die Arbeit wechseln, die Serien bleiben uns erhalten. Es ist sicher, dass die nächste Folge gesendet wird, egal wo wir uns befinden. Und wenn eine Serie endet, finden wir eine Neue.

Uns fehlt der Umgang mit Menschen

Wir leben also zunehmend in einer scheinbar unsicheren Welt, müssen uns ständig neuen Gegebenheiten anpassen und lernen Isolation inmitten von Mitmenschen kennen. Keine gute Grundlage um Vertrauen zu praktizieren.

Wenn dann die mediale Logik zuschlägt, verwundert es nicht, dass wir auch in Politik kaum noch Vertrauen haben. Alleine im Netz einen Artikel über die dumme Aussage eines Politikers zu lesen, befeuert nicht gerade unser Vertrauen. Hätten wir mehr Umgang mit Menschen auf einer regelmäßigen Basis, würden wir die Aussagen vielleicht anders deuten. Vielleicht würden wir erkennen, dass die Medien eben nur einen Teilaspekt beschreiben. Die Realität in den Medien ist nur eine begrenzte Realität. Aber genau dieser Umgang fehlt uns zunehmend, was unser Bewertungssystem über Politik verändert.

Könnte das ein Grund für unser Misstrauen in Politik sein? Mit einem Politiker persönlich zu sprechen oder von ihm in einer Tageszeitung zu lesen, führen zu völlig anderen Bewertungen. Und weil wir zunehmend isoliert leben, verlernen wir, was es bedeutet Kompromisse einzugehen; was es bedeutet, dass Menschen keine Drehbuchfiguren sind und in letzter Konsequenz, was es bedeutet, zu vertrauen; nämlich etwas zu riskieren.

Es ist ja nur eine Hypothese, die nicht widerlegt, was wir täglich in der Zeitung von unseren inkompetenten Politikern lesen. Aber manchmal scheint es mir sinnvoll, die Ursachen für fehlendes Vertrauen nicht nur in der Aussenwelt zu suchen.

Wer mehr über das Misstrauen in die Politik lesen möchte, der sei auf die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung Vertrauen schaffen! Politik und Glaubwürdigkeit verwiesen.

Was sagt Ihr zu diesen Ausführungen? Teilt es mir mit.