Ich gebe zu: Ich habe Mist gebaut. Wirklich. Übrigens, nicht das erste Mal. Das passiert mir immer wieder mal und die Erfahrung ist immer wieder niederschmetternd. Fehler sind Mist. Fehler sollten verboten werden. Allen voran tun Fehler weh.

Und doch plädiere ich in diesem Beitrag für Fehler.

Ich erinnere mich an die Geschichte eines Rentners, der ein sehr toleranter Mensch war. Er arbeitete lange in einer Behörde und Behörden arbeiten bekanntlich nicht sehr optimal. Dieser Mann war für die Einarbeitung junger Auszubildender verantwortlich. Und jedes Jahr wiederholte sich die gleiche Szene. Die jungen Menschen fingen Ihre Arbeit an und merkten nach wenigen Wochen, dass viele Prozesse optimiert werden könnten. Im Zuge dieser Entdeckungen mehrte sich die Kritik: Dies und das könnte doch viel besser so oder so erledigen werden. Aus Kritik wurden Vorwürfe und schließlich Forderungen.

Irgendwann rief dieser Mann - schon damals sehr tolerant - jeden dieser jungen Menschen in sein Büro. Er packte ein Blatt Papier aus, schnappte sich einen Stift und reichte beides dem Auszubildenden. Dann sagte er:

"Ich habe bemerkt, dass dich viele unserer Arbeitsprozesse stören. Ich bin offen für Veränderungen und deshalb bitte ich dich, deine Verbesserungsvorschläge auf dieses Blatt Papier niederzuschreiben. In der linken Spalte schreibst du, was nicht funktioniert und in die rechte Spalte, wie es in Zukunft gemacht werden soll. Sobald du die Liste fertig hast, bringst du sie mir zurück und dann setzten wir gemeinsam deine Vorschläge um."

In all den Jahren kam nie wieder einer zurück.

Warum?

Weil es so einfach ist, Fehler zu kritisieren, aber ungemein schwer sie zu vermeiden. Aber das ist nicht der einzige Grund. Der Mann vermutet, dass die jungen Menschen davor zurückschreckten, für die Verbesserungen verantwortlich zu sein. Sie spürten, dass Verantwortung unweigerlich zu Fehlern führt. Und genau das wollten sie dann doch nicht testen. Sie blieben lieber bei ihrer Kritik.

In diesem Zusammenhang fällt mir eine Szene aus dem Film "The Core" ein. Dieser Film ist ein Fehler. Purer Mist. Aber eine Szene hat es in sich. Hilary Swank spielt in diesem Film eine junge NASA Pilotin, die einfach nur genial ist. Talentiert, mutig, intelligent, schön, jung, erfolgreich; kurz gesagt eine Filmfigur. Sie soll ein Raumschiff zum Kern der Erde steuern. Mit an Board ist ihr NASA Vorgesetzter. Der hat so seine Schwierigkeiten mit dieser ambitionierten Frau, sieht aber Ihr Talent.

An einer Stelle (nach 44 Minuten) kommt es zu einem Gespräch und er verrät Ihr, warum Sie noch keine Verantwortung für ein Schiff trägt, obwohl Sie so talentiert ist. Seine Begründung lautet:

"Bei der Führung geht es nicht um Fähigkeiten, sondern um Verantwortung. Und man ist nicht nur verantwortlich für die richtigen sondern auch für die falschen Entscheidungen. Man muss bereit sein, beschissene Entscheidungen zu treffen. Und das können Sie nicht, weil Sie so gut sind. Ihnen ist noch nichts begegnet, womit Sie nicht fertig wurden. Sie sind ans Siegen gewöhnt. Und man kann erst dann wirklich Führen, wenn man mal verloren hat."

Wie gesagt, der Film ist Mist, aber dieses Gespräch hat es in sich. Ich stimme dem voll zu. Und deshalb sind Fehler nicht nur menschlich, sondern auch notwendig. Führungskräfte wissen das. Man kann nicht ohne Fehler führen. Unmöglich. Und gerade deshalb zahlt man diesen Menschen so viel Geld. Sie werden für Ihre Fähigkeit bezahlt, Fehler zu machen und damit zu leben.

Aber Fehler sind nicht nur für diese Personen wichtig, sie sind für alle Menschen wichtig. Ich möchte euch fünf Gründe nennen, warum ihr keine Angst vor Fehlern haben solltet. Nehmt es nicht als einen Blankoscheck, um nun alles zu verbocken. Aber fürchtet euch nicht, welche zu machen.

1.

Fehler sind das beste Mittel gegen Klatsch und Selbstgerechtigkeit 

Wer Fehler macht und sie auch offen zugibt, wirkt menschlicher und leidet seltener unter dem Klatschsyndrom. Klatsch hat natürlich auch eine sozialbindende Wirkung. Über den Vollidioten nebenan zu lästern, verbindet sofort.

Hast du schon gehört, was Hans sich mal wieder geleistet hat?! Und der Chef erst. Wie der zu dieser Position gekommen ist, verstehe ich überhaupt nicht.

Das geht doch runter wie Öl, oder?! Klatsch kann so befriedigend sein. Einfach mal Dampf über Hans ablassen.

Aber was steckt eigentlich hinter Klatsch? Möchte man damit jemanden helfen?! Sicherlich nicht. Klatsch ist pure Selbstgerechtigkeit. Und die Bibel verspricht nicht grundlos, dass Hochmut vor dem Fall kommt. Wer selbstgerecht ist, der sagt im Grunde nur, dass er oder sie besser ist. Und wer will nicht besser sein?! Heute fast jeder. Deshalb hassen wir alle, Fehler zu machen. Fehler erinnern uns daran, dass wir doch nicht besser sind.

Doch keine Sorge. Das sind gute Nachrichten. Fehler machen uns demütiger.

2.

Wer Fehler macht, der macht etwas richtig

Wenn jemand keine Fehler macht, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder er macht gar nichts oder er lügt. Eine andere Erklärung gibt es nicht.

Ich kenne Menschen, die wirklich kaum Fehler machen. Aber diese Menschen leiden darunter. Sie sind wie die jungen Auszubildenden, die intuitiv spüren, dass sie nur keine Fehler machen, weil sie keine Verantwortung tragen. Wer sich nichts traut, der kann auch nicht viel falsch machen. Aber eben auch nichts richtig.

Fehler sind jedenfalls ein Zeichen, dass man etwas tut und dabei kann dann eben manchmal etwas schief laufen. Weiter so. Sie machen das schon richtig.

3.

Fehler zwingen uns, besser zu werden

Napoleon wurde nur so groß, weil er so klein war. Dieser Makel hat ihn Zeit seines Lebens angespornt. Klein zu sein gehört nicht direkt in die Kategorie Fehler, hatte in Napoleons Fall aber die gleiche Wirkung: Er wollte diesen Makel überwinden. Er wollte besser und größer werden. Und genau das ist er geworden.

Deshalb sind Fehler gut. Natürlich streben wir Fortschritt an. Fehler sollten nicht wiederholt werden, aber oftmals geht es eben nicht ohne Fehler. Sie zwingen uns, es beim nächsten Mal noch besser zu machen.

Wer übrigens mehr über Menschen erfahren möchte, die durch Fehler groß wurden, dem empfehle ich das Buch "Kulturgeschichte der Neuzeit: Die Krisis der Europäischen Seele von der Schwarzen Pest bis zum Ersten Weltkrieg" von Egon Friedell. Ein phantastisches Werk.

4.

Fehler verbessern unsere Beziehungen

Was passiert, wenn wir etwas verbockt haben?! Was tun wir gewöhnlich?! Wie reagieren wir darauf?!

Nein, wir vertuschen es nicht. Das wäre nicht sehr weise. Falsche Antwort.

Wir wenden uns Menschen zu. Wir suchen Hilfe und Beruhigung von anderen Menschen. Gerade durch Fehler lernen wir den Wert unserer Mitmenschen kennen. Wie dankbar sind wir, wenn uns der Fehler verziehen wird?! Wie erleichternd das wirkt.

Auf einmal hat sogar der Vollidiot Hans seine guten Seiten. Und der Chef entpuppt sich als eine einfühlsame Führungskraft, die hinter Einem steht.

Gerade in unserer individualisierten - um nicht zu sagen egoistischen - Gesellschaft führen uns Fehler vor Augen, warum es doch gut ist, dass es Menschen gibt. Wer soll uns sonst beruhigen?! Der Fernseher?! Wie sollen wir sonst erfahren, wem wir vertrauen können?!

Kurz: Fehler machen uns einfach menschlicher. Und Menschlichkeit kann es nicht genug geben.

5.

Fehler werfen uns aus der Bann und zwingen uns nachzudenken

Gerade in unserer beschleunigten Zeit kommen wir kaum noch dazu, einfach zu reflektieren, wie unser Leben läuft. Wir hantieren und agieren. Nachdenken bleibt da leicht auf der Strecke.

Ein Fehler, besonders ein großer Fehler, bringt unser Leben schlagartig zum Stop. Ein Fehler ist wie eine Störung im System. Wir wechseln automatisch in den Zeitlupenmodus. Alles läuft langsamer ab.

Und genau deshalb sind Fehler gut. Sie zwingen uns nachzudenken und zu reflektieren. Wer weiß, was am Ende dabei heraus kommt. Jedenfalls kann dieser Modus manchmal sehr heilsam wirken.

Also, so schmerzhaft Fehler sind und so sehr wir sie natürlich meiden wollen. Sie passieren und haben eine wichtige Funktion im Leben. Am Ende entwickeln wir uns nur durch Fehler zu guten Menschen und vielleicht zu Führungskräften.

Zum Schluss wollt ihr noch erfahren, was ich genau verbockt habe?!

Nichts, verglichen mit dem, was sich gestern Hans mal wieder geleistet hat. Wirklich!

By the way: Habt Ihr die Grammatikfehler im Text bereits gezählt?! Kein Problem. Korrigiert mich einfach.

Was sagt ihr? Fallen euch andere Gründe ein, warum Fehler gesund sind?! Teilt es mir mit.